Interview

In Roth geht‘s mit Tempo voran!

Die Stadt Roth in Mittelfranken setzt auf Energiespar-Contracting (ESC). Wie dieses Instrument Klimaschutz beschleunigen soll, erläutert im dena-Interview Michaela Stolba, bis Ende 2023 Klimaschutzmanagerin im städtischen Bauamt.

Alte Schönheit auf Vordermann bringen: Das Jagdschloss Ratibor in Roth, erbaut im 16. Jahrhundert, zählt zu 23 Gebäuden der Stadt, die mit ESC saniert werden sollen. Foto: dena/Eduard Wellmann

„ESC greift zwei Probleme auf: fehlendes Fachpersonal und wenig Geld.“

Michaela Stolba

Hohe Energieverbräuche in öffentlichen Gebäuden belasten die kommunalen Haushalte und in großem Maße die Umwelt. Die bayerische Kleinstadt Roth in der Nähe von Nürnberg steuert mit der „Klimaschutzinitiative Roth“ gegen: Unter anderem sollen in den kommenden Jahren 15 städtische Liegenschaften mit Energiespar-Contracting (ESC) saniert werden – als Modellkommune wird Roth dabei von der Deutschen Energie-Agentur (dena) im Rahmen des Modellvorhabens „Co2ntracting: build the future!“ unterstützt. Ziel ist, rund 200 Tonnen CO2 und auf Dauer gut 14 Prozent Energiekosten einzusparen. Klimaschutzmanagerin Michaela Stolba war bis Ende 2023 im städtischen Bauamt tätig und hat das Projekt an den Start gebracht. 

Frau Stolba, in welcher Phase vom ESC befindet sich Roth und wie geht es weiter?
Wir haben die Umsetzungsmaßnahmen europaweit ausgeschrieben, und seit Kurzem sind die bietenden Contractoren bekannt. Anfang 2024 sollen die Gebäudebegehungen stattfinden und dann bald die Angebote vorliegen.

Was bedeutet „ESC Plus“?

Bei ESC Plus wird das klassische ESC erweitert, es schließt zum Beispiel Sanierungen der Fenster, insbesondere der Gebäudehülle ein. So sind größere Einsparpotenziale erzielbar. Da die Investitionskosten dann deutlich höher sind, erfordert diese Variante eine zusätzliche Finanzierung. Mehr Informationen: ESC-Factsheet und Energiespar-Contracting Plus

Welche Vorteile hat ESC für Roth?
Das ESC greift zwei Probleme auf: fehlendes Fachpersonal und wenig Geld. Wenn Roth selbst Liegenschaften saniert, schaffen wir höchstens ein, zwei im Jahr. Mit ESC kommt die Stadt also mit viel höherem Tempo voran. Roth nimmt nun mit 15 Liegenschaften und insgesamt 23 Gebäuden am dena-Projekt teil, und das kostentechnisch ‚0 auf 0‘. Dazu zählen unter anderem mehrere Schulen, eine Kita, die Feuerwehr, das Schlösschen. Für drei dieser Gebäude – das Stadtbauamt, eine Mehrzweckhalle, eine Grundschule – wurde die Variante „ESC Plus“ beschlossen, da diese schon sehr viel länger auf einer Sanierungs- liste stehen. Für diese Variante fallen dann aber zusätzliche Kosten an.

Welche Effizienzmaßnahmen sollen umgesetzt werden, um Energie zu sparen? Können Sie Beispiele nennen?
Unter anderem wird die Beleuchtung ausgetauscht, Bewegungsmelder sollen kommen, die Heizzeiten sollen „Stichwort Nachtabsenkung“ angepasst und die Lüftungsanlagen energetisch optimiert werden. Bei den drei Gebäuden mit „ESC Plus“ sollen außerdem die Fassaden erneuert und die Fenster ausgetauscht werden, auch eine gezielte Begrünung und Beschattung sind geplant.

Bis hierhin: Was waren aus Ihrer Sicht die größten Herausforderungen?
Es war anfangs nicht immer leicht, sich in das Thema ESC einzufinden. Die nötigen Zahlen und Daten im Vorfeld zu beschaffen und auch die Ausschreibung an sich haben viel Zeit und Nerven gekostet. Rückblickend betrachtet ist das meiste aber selbsterklärend und gar nicht so schwer. Mit dem Vorwissen hätte man sicher ein paar Umwege und Leerläufe sparen können – aber das Wissen hat man ja leider immer erst hinterher.

Wie unterstützt Sie die dena?
Die Zusammenarbeit ist sehr hilfreich und motivierend, wir sind sehr froh, die dena an der Seite zu haben. Es gab Gespräche mit viel fachlichem Input und mehrere Netzwerktreffen mit anderen Kommunen, wo wir Erfahrungen austauschen konnten. Das Kick-off-Meeting hat mich nochmal mehr überzeugt. Und auch die Unterstützung durch den ESC-Berater war super. Dass Roth ihn im Rahmen des Modellvorhabens nicht finanzieren muss, war natürlich immer sehr hilfreich, um das Projekt voranzutreiben.

Wie haben Sie denn vom Energiespar-Contracting und Modellvorhaben der dena erfahren?
Ich hatte einen Fachartikel allgemein über Energiespar-Contracting gelesen und bin dann durch weitere Internetrecherchen auf die dena und das Projekt gestoßen. Da habe ich sofort gedacht: Das klingt super! Die dena stellt viel Informationsmaterial bereit und der Austausch funktionierte von Anfang an gut. Nach etwas interner Überzeugungsarbeit konnte ich auch den Rest der Stadtverwaltung für das Projekt gewinnen.

Welche Bedenken sind Ihnen begegnet?
Das Argument ‚Das können wir doch selbst machen‘ war zu Beginn häufiger zu hören, was auch richtig ist, allerdings mit beschränkten Kapazitäten. Auch das Thema Arbeitsaufwand für die Verwaltung wurde sehr diskutiert, denn selbst wenn der Contractor die Hauptarbeit übernimmt, ist durchaus viel Einsatz gefordert. Die Stadtverwaltung muss Daten zusammenstellen, die Gebäude aufschließen, es müssen frühzeitig Fachleute eingebunden werden und so weiter. Dafür wird Personal benötigt. Der Aufwand ist also nicht ohne, aber wir sind dennoch fest vom ESC überzeugt. Alleine wäre das nicht zu schaffen.

Auch das Rathaus in Roth wird mit ESC saniert. Foto: dena/ Eduard Wellmann

Insgesamt waren Sie zwei Jahre Klimaschutzmanagerin in Roth. Damals war die Stelle ganz neu.
Der Stadtrat hatte die Stelle 2021 im Rahmen der „Klimaschutzinitiative Roth“ ins Leben gerufen. Ich musste mich anfangs viel orientieren: Wo könnte man am meisten bewegen? Im Rahmen der Initiative hatte der Stadtrat vorgegeben zu prüfen, inwiefern die städtischen Liegenschaften 2025 klimaneutral sein können. Durch diesen Beschluss war klar, dass der Fokus stark auf den Gebäuden liegt und dass ich schauen musste, dass da auf jeden Fall viel passiert. Allein in Roth gibt es ungefähr 90 Liegenschaften und mit nötigen Sanierungen und Erneuerungen kommt man kaum hinterher. Hinzu kommen Neubauten wie zum Beispiel Kindergärten, die einen Großteil des Personals binden.

Was macht man als Klimaschutzmanagerin?
Ganz grob gesagt, habe ich bisher Wege aufgezeigt, wie die Stadt ihren CO2-Ausstoß reduzieren kann. Da gibt es bekanntermaßen viele Möglichkeiten, und genau das macht es manchmal schwierig. Denn oft herrscht in der Politik Uneinigkeit. Der Klimaschutz betrifft ja viele Bereiche, zum Beispiel auch den Autoverkehr, Radwege, Flächen für Photovoltaik und vieles mehr. Klimaschutzmanagerinnen und -manager sind überall involviert und ihre Meinung ist gefragt. Ich habe versucht, mich als Anwältin fürs Klima zu sehen, Punkte zu hinterfragen, das Mindset der Beteiligten anzuschubsen. Auch ein städtisches Förderprogramm habe ich angeschoben und einen Kreativwettbewerb mit Schulen und Kindergärten organisiert. Die Aufgaben sind sehr vielfältig.

Was hat Sie motiviert, Klimaschutzmanagerin zu werden?
Ich war zuvor in der freien Wirtschaft tätig. Ich hatte Lebensmitteltechnologie studiert und im Anlagenbau gearbeitet und habe dann eine Fortbildung bei der IHK als europäische Energiemanagerin absolviert. Ich war außerdem in meinem Wohnort im Gemeinderat tätig. So kam der Wunsch auf, meinen technischen Background mit dem Bereich Klimaschutz zu verbinden. Da ich in Nürnberg aufgewachsen bin, kannte ich Roth bereits gut.

Alle Infos kompakt

Der kostenfreie dena-Leitfaden „Energiespar-Contracting (ESC) – Effizienzmaßnahmen mit Einspargarantie erfolgreich umsetzen“ liefert jede Menge Informationen und Musterdokumente für die Entwicklung und Ausschreibung eines ESC-Projekts: Publikationsdetailansicht 

Was würden Sie Klimaschutzmanagerinnen und Klimaschutzmanagern raten, die ESC in der Kommune umsetzen möchten?
Man sollte sich realistische, aber dennoch sportliche Ziele setzen und optimistisch rangehen! Im Idealfall kann es schnell gehen, natürlich weiß man nie, was eventuell länger dauert. Wir in Roth hatten zum Beispiel das Glück, dass die politischen Beschlüsse schnell gingen. Das ist nicht in allen Kommunen der Fall.

Vielen Dank für das Gespräch!
Das Interview führte Ulrike Worlitz, Seniorexpertin Öffentlichkeitsarbeit Quartier & Stadt
Deutsche Energie-Agentur (dena)

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Fotonachweis Porträt: Stadt Roth