Interview

ESC – wertvolles Sanierungsinstrument für Kommunen

Warum sollten Städte, Landkreise und Gemeinden Energiespar-Contracting (ESC) kennen und nutzen? Darüber hat die Redaktion von „Stadt und Gemeinde digital“ des Deutschen Städte und Gemeindebunds mit dena-Arbeitsgebietsleiterin Nicole Pillen gesprochen.

Das Alexander-von-Humboldt-Gymnasium in Konstanz. Die Stadt nimmt mit vier Gebäuden (1 Realschule, 1 Grundschule und 2 Gymnasien) am Modellvorhaben der dena teil. Foto: Jürgen Wisckow

Stadt und Gemeinde digital: Frau Pillen, worin genau liegen die Vorteile für Kommunen beim Energiespar-Contracting?

Der Handlungsdruck beim Klimaschutz wächst – auch auf Städte und Gemeinden. Sie sind zentrale Player der Energiewende und müssen vorbildlich vorangehen. Gleichzeitig haben sie immer mehr zu bewältigen – und dass, obwohl es häufig an Personal oder finanziellen Mitteln für Aufgaben rund um den Klimaschutz fehlt.

Nicole Pillen

„Mit ESC senken Kommunen ihre Verbräuche verlässlich und nachhaltig.“

Nicole Pillen

Und hier setzt ESC an: Bei dieser Energiedienstleistung beauftragt ein Gebäudeeigentümer, etwa eine Kommune, ein spezialisiertes Dienstleistungsunternehmen, den sogenannten Contractor, mit der Energieoptimierung seiner Gebäude. Dieser plant, realisiert und finanziert technische, bauliche und organisatorische Maßnahmen, um deren Energieverbrauch, Energiekosten und CO2-Ausstoß zu senken. Er kümmert sich um Instandhaltung, Betriebsführung und ggf. um die Wartung der neuen Technik. Dafür erhält er einen Teil der Kosteneinsparung. So wird die Kommune von Umsetzungsaufgaben entlastet und kann sich den politisch notwendigen Entscheidungen zuwenden.

Das Besondere an diesem Modell ist, dass der Contractor die Einsparhöhe vertraglich garantiert und langfristig nachweisen muss. Das heißt mit ESC senken Kommunen ihre Verbräuche verlässlich und nachhaltig.

Stadt und Gemeinde digital: Können Sie einige Beispiele für Effizienzmaßnahmen nennen, die ein Contractor im ESC üblicherweise umsetzt?

Contractoren modernisieren die Heizungstechnik, setzen energieeffiziente Klima-, Raumluft-, und Beleuchtungstechnik ein, optimieren Gebäudeleit-, Steuerungs- und Regelungstechnik sowie die Wasserversorgung, sie erneuern aber auch Fenster. Auch Nutzerschulungen zum Verhalten nach dem Umbau gehören dazu sowie zunehmend umfangreichere Maßnahmen an der gesamten Gebäudehülle.

Stadt und Gemeinde digital: Betrachtet man die üblichen ESC-Lösungen – sind diese ausreichend, um sich als Kommunale das Ziel „Klimaneutralität“ auf die Fahne zu schreiben?

ESC entwickelt sich weiter und es gibt neben dem klassischen Modell mit Fokus auf die Gebäudetechnik unterschiedliche Ausprägungen. Sowohl „Light-“Modelle ohne große Investitionen als auch „Plus-“Modelle, bei denen die Gebäudehülle einbezogen wird. Für große Maßnahmen wie Dach- und Fassadendämmung sind Investitionskostenzuschüsse durch die Kommune und/oder Fördermittel nötig, um die Vertragslaufzeit trotz längerer Amortisationszeiten im Rahmen zu halten. Derzeit entwickeln Contractoren Lösungen für ein „Klimaschutz-Contracting“. Hier geht es darum, Gebäude mit ESC klimaneutral zu sanieren. Auch im dena-Modellvorhaben wollen wir diesen Weg testen.

Stadt und Gemeinde digital: In welcher Form profitieren die Kommunen von einer Teilnahme am dena-Modellvorhaben?

„Wir nehmen alle an die Hand, die Hilfe benötigen, damit die Kommunen im Anschluss weitere ESC-Vorhaben selbständig angehen können.“

Nicole Pillen

Bis Ende 2025 können wir mit „Co2ntracting: build the future!“ bis zu 100 Kommunen beim energetischen Modernisieren ihrer Liegenschaften unterstützen. Neben den positiven Effekten, die ESC ohnehin mit sich bringt (garantiert niedrigere Verbräuche und Emissionen, energetisch umfassend modernisierte Gebäude in kurzer Zeit, hocheffiziente Technik, Übertragung des Betriebsrisikos auf den Dienstleister – um nur einige zu nennen) profitieren sie durch das Modellvorhaben von weiteren Vorteilen: Die Kommunen bekommen für den gesamten Prozess von der Ausschreibung über die Vergabe bis hin zur Umsetzung kostenfrei ESC-Beratende zur Unterstützung an die Seite. Und sie sind in ein Netzwerk mit Kommunen und ESC-Akteuren zum regelmäßigen Austausch und in die dena-Öffentlichkeitsarbeit eingebunden. Das heißt, wir nehmen alle an die Hand, die Hilfe benötigen, damit die Kommunen im Anschluss weitere ESC-Vorhaben selbständig angehen können.

Stadt und Gemeinde digital: Welche Voraussetzungen sollten vorliegen, damit eine Kommune bei „Co2ntracting: build the future!“ dabei sein kann?

„Für die Teilnahme am Modellvorhaben ist es wichtig, dass die Verwaltungsspitze dahintersteht und ein Verantwortlicher in der Kommune das Vorhaben vorantreibt.“

Nicole Pillen

Einige Kriterien müssen die zu sanierenden Gebäude schon erfüllen, damit sie für ein ESC infrage kommen und Contractoren im Rahmen des üblichen Ideenwettbewerbs interessante Angebote abgeben – das ESC muss sich ja auch rechnen.

Für ESC geeignet sind Nichtwohngebäude unterschiedlicher Nutzungsarten: Schulen, Kitas, Verwaltungen, Sportstätten, Stadthallen, Museen, Theater usw. Das Gebäude oder besser noch ein Gebäudepool aus mehreren Gebäuden sollte Energiekosten von mindestens 150.000 Euro pro Jahr aufweisen und sich über die Vertragslaufzeit von etwa 7-12 Jahren im Eigentum des Auftraggebers befinden. Außerdem sollten zumindest in den ersten 3 Jahren keine wesentlichen Nutzungsänderungen anstehen. Für die Teilnahme am Modellvorhaben ist es außerdem wichtig, dass die Verwaltungsspitze dahintersteht und ein Verantwortlicher in der Kommune das Vorhaben vorantreibt.

Stadt und Gemeinde digital: Was sollten interessierte Kommunen tun, um sich für eine Teilnahme am Modellvorhaben zu bewerben?

Sich bei uns melden! Steht eine Kommune noch ganz am Anfang, ist zunächst eine Orientierungsberatung notwendig. Hierfür gibt es seit Jahresanfang eine BAFA-Förderung. In der Orientierungsberatung wird geprüft, ob sich die Gebäude für ESC eignen und welche Einsparpotenziale vorliegen. Am Ende wird die Energiekosten-Baseline errechnet, auf der später die Angaben für den Contractor fußen.

War die Orientierungsberatung erfolgreich und erfüllt die Kommune auch die übrigen dena-Anforderungskriterien, stehen die Chancen, in das Modellvorhaben aufgenommen zu werden, sehr gut.

Stadt und Gemeinde digital: Sie selbst, Frau Pillen, sagen, dass es Vorbehalte gegenüber ESC gibt und es nicht selten als „zu komplex“ wahrgenommen wird. Können Sie das erklären?

Das stimmt, es ist noch immer relativ unbekannt, obwohl es seit über 20 Jahren in Deutschland auf dem Markt ist. Außerdem ist es recht erklärungsbedürftig und gilt als kompliziert und langwierig. Die Anbahnung eines ESC ist nicht unaufwändig – abhängig davon, wie gut die Kommune ihre Gebäude und Verbräuche kennt, ob ein Energiemanagement besteht usw. Ist sie hier gut aufgestellt, hilft das ungemein. Aber selbst wenn nicht, ist dies kein Hindernis – es muss jedoch für die Datenerhebung Zeit und Personal eingeplant werden. Aber jede Kommune sollte doch sowieso wissen, wie der Zustand der eigenen Gebäude ist. Weiterer Knackpunkt ist oft die Genehmigung. In einigen Bundesländern wird ESC als kreditähnliches Rechtsgeschäft eingestuft, hier bedarf es der Genehmigung durch die Kommunalaufsicht. Daher ist es wichtig, von Anfang an entscheidende Stellen wie Kämmerer, Kommunalaufsicht etc. einzubeziehen und ESC zu erklären. Das gilt auch für technisches Personal und die Gebäudenutzer. Die dena hilft hier aber gerne mit Rat und Tat weiter.

 

Der Originalbeitrag in „Stadt und Gemeinde digital“ als PDF zum Download

Die komplette Ausgabe 4/2021 der „Stadt und Gemeinde digital