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Gut Beraten

Mit einer individuellen Orientierungsberatung erfahren Gebäudeeigentümer, ob für die energetische Sanierung ihrer Liegenschaften ein Energiespar-Contracting in Frage kommt. Dazu nehmen Experten vor Ort Gebäudetechnik und -hülle, Energieverbrauch und -kosten sowie die Nutzungsweise der Immobilien unter die Lupe.

Die vor gut hundert Jahren erbaute Grundschule in Volpriehausen, ein Ortsteil der im Weserbergland gelegenen Stadt Uslar, ist ein kleines Schmuckstück: hohe Räume, große Fenster, Backstein an der Fassade und Fachwerk im Giebel – ein schöner Ort zum Lernen.

Schulgebäude der heutigen Rehbachschule in Volpriehausen, Stadt Uslar, Südniedersachen. Erbaut 1904-06. Aufgenommen April 2011. Foto: Jan Stubenitzky (Dehio) |Diese Datei ist unter der Creative-Commons-Lizenz „Namensnennung – Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 Deutschland“ lizenziert.

Nur gut allerdings, dass Schüler und Lehrer nie den Heizungskeller zu Gesicht bekommen. Denn dort steht ein betagter Niedertemperatur-Ölkessel, der schon lange nicht mehr dem Stand der Technik entspricht. Etwa 16.000 Euro muss die Stadt Uslar im Jahr für das Beheizen der Schule mit ihren rund sechzig Schülern ausgeben. Das geht allerdings nicht allein auf das Konto des alten, ineffizienten Kessels. Auch der energetische Standard der Gebäudehülle ist längst nicht mehr zeitgemäß.

„Uns fehlt es in der Verwaltung an personellen Kapazitäten, um die energetischen Sanierungen aus eigener Kraft vornehmen zu können.“

Nils Ritter-Fiebekorn, Klimaschutzmanager Stadt Uslar

Es gibt in Uslar noch eine ganze Reihe weiterer städtischer Gebäude, bei denen eine energetische Sanierung dringend Not tut – um die Energiekosten zu reduzieren; aber auch, um die Kommune bis spätestens 2030 klimaneutral zu machen, wie es der Stadtrat vor vier Jahren beschlossen hat. Allerdings steht die Stadt vor einem Problem, das auch viele andere öffentliche Institutionen nur allzu gut kennen: „Uns fehlt es in der Verwaltung schlicht an personellen Kapazitäten, um die energetischen Sanierungen aus eigener Kraft vornehmen zu können“, sagt Nils Ritter-Fiebekorn, Klimaschutzmanager der Stadt Uslar.

Einsparungen garantiert

Deshalb haben sich die Niedersachsen mit einem Pool an Gebäuden – zu dem neben der Grundschule Volpriehausen unter anderem auch das Rathaus, Verwaltungsgebäude, Feuerwehr und Bauhof sowie weitere Schulen gehören – am Modellvorhaben „Co2ntracting: build the future!“ beteiligt. Mit diesem Modellvorhaben wollen die Deutsche Energie-Agentur (dena) und zahlreiche Partner eine Reihe von Projekten zum Energiespar-Contracting, kurz ESC, initiieren und zur Umsetzung bringen.

Beim ESC legt der Eigentümer der Liegenschaften die Sanierung in die Hände eines Energiedienstleisters, des so genannten Contractors. Dieser realisiert vorab vereinbarte Maßnahmen und erhält dafür eine jährliche Vergütung, die der Auftraggeber über seine Einsparungen bei den Energiekosten refinanziert. Dabei gibt das Modell dem Auftraggeber eine Einspargarantie: Der Contractor ist vertraglich dazu verpflichtet, die vereinbarten Einsparziele zu erreichen. „Die Liegenschaftseigentümer profitieren darüber hinaus von Ressourcen, Kompetenz und Erfahrung des Contracting-Anbieters. Das Modell beschleunigt Sanierungen ganz erheblich – und gewährleistet, dass auch umfassendere Maßnahmen umgesetzt werden“, sagt Cornelia Schuch, Teamleiterin Energieeffiziente Gebäude bei der dena. Das dena-Modellvorhaben „Co2ntracting: build the future!“ wird vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages gefördert.

Analysieren und beraten

Diese neun Kommunen und Bundesländer sind nach einer erfolgreichen Orientierungsberatung mit bestätigter ESC-Eignung eine Runde weiter und werden nun auch beim Umsetzen des ESC von der dena und den ESC-Beratenden kostenfrei begleitet.

Im Rahmen des Modellvorhabens hat die dena insgesamt 17 Städten und Landkreisen sowie zwei Bundesländern kostenfrei Projektentwickler zur Seite gestellt, die dort umfassende, individuelle Orientierungsberatungen durchgeführt haben. Solche Beratungen sind ein ganz wichtiger Schritt auf dem Weg zur energetischen Sanierung: Die Experten untersuchen vor Ort, ob und wenn ja in welcher Form ESC ein geeignetes Instrument für die Sanierung ist – und liefern den Gebäudeeigentümern damit wertvolle Informationen für ihr weiteres Vorgehen. Damit gehen die Projektentwickler einen anderen Weg als bei einer klassischen Energieberatung. Sie betrachten die Liegenschaften ganzheitlich, schätzen deren ungefähres Einsparpotenzial ab und geben eine Empfehlung, ob ESC der beste Weg ist, um dieses Einsparpotenzial auszuschöpfen. Ist dies der Fall, machen sie erste Vorschläge für mögliche Effizienzmaßnahmen, die ein Contractor finanzieren und umsetzen könnte und auf die er eine garantierte Einsparung abgeben wird.

Die Empfehlungen der Projektentwickler basieren auf einer Bestandsaufnahme, die den Zustand der Gebäude und der Haustechnik genauso berücksichtigt, wie die Energieverbräuche und -kosten sowie die CO2-Emissionen. Die Nutzung der Liegenschaften nehmen die Projektentwickler ebenfalls unter die Lupe. Allein von dieser Analyse profitieren die Kommunen im Modellvorhaben bereits, wie Rückmeldungen der Teilnehmer zeigen: Sie bekommen damit wertvolle Hinweise auf Potenziale von Sanierungsmaßnahmen. Diese Informationen sind aber auch für potenzielle Contractoren wichtig – sie benötigen die Daten, um entscheiden zu können, ob sie sich an der Ausschreibung eines solchen Auftrags beteiligen.

Abschlussbericht mit konkreten Empfehlungen

Mechthild Zumbusch, Bereichsleiterin Consulting Berliner Energieagentur

„Ganz wichtig ist dabei, auch über die Nutzung zu sprechen“

Mechthild Zumbusch, Bereichsleiterin Consulting Berliner Energieagentur

Wie läuft eine solche Beratung ab? Am Beginn steht ein Auftaktgespräch, bei dem Vertreter der Gebäudeeigentümer den Projektentwicklern erste Informationen über die Immobilien geben. „Ganz wichtig ist dabei, auch über die Nutzung zu sprechen: Wer nutzt die Liegenschaften wann und wie? Was passiert dort am Wochenende und – beispielsweise bei Schulen oder Sportstätten – in den Ferien? Wird sich die Art der Nutzung in den nächsten Jahren ändern? Letzteres ist wichtig für die Gestaltung eines Contracting-Vertrags, da sich damit ja auch der Energieverbrauch ändert“, sagt Mechthild Zumbusch, die bei der Berliner Energieagentur den Bereich Consulting leitet. Die Agentur führte im Auftrag der dena als Projektentwicklerin im Modellvorhaben mehrere Orientierungsberatungen in verschiedenen Landkreisen und dem Land NRW durch.

Nach einem solchen Auftaktgespräch haben die Gebäudeeigentümer die Aufgabe, Daten zu Energieverbrauch und -kosten der betreffenden Gebäude sowie, falls vorhanden, die Lastprofile für Strom und Wärme zusammenzustellen. Die Projektentwickler benötigen diese Informationen unter anderem, um später die so genannte Baseline der Energiekosten zu berechnen. Dieser Wert ist die Bezugsgröße für die Einsparungen, die die Contractoren dann im Rahmen des ESC mit den Sanierungsmaßnahmen erzielen müssen.

„Die Mischung macht’s“

Anschließend nehmen die Projektentwickler die Liegenschaften persönlich in Augenschein. „Wir schauen uns das ganze Gebäude genau an, vom Keller bis zum Dach. Besonders wichtig sind dabei Haustechnik und Beleuchtung“, erklärt Zumbusch. Dann geht es zurück an den Schreibtisch – die Projektentwickler stellen die möglichen Einsparpotenziale zusammen und analysieren grob, ob das Objekt für ein ESC geeignet ist.

„Hoch wirtschaftliche Schritte finanzieren andere, aus ökonomischer Sicht weniger attraktive Maßnahmen innerhalb des ESC quasi mit.“

Cornelia Schuch, dena-Teamleiterin

Dabei betrachten sie sowohl die einzelnen Gebäude als auch den Gebäudepool ganzheitlich: Sie achten darauf, welche Maßnahmen sich innerhalb des ESC sinnvollerweise kombinieren lassen. Bietet das Instrument doch die Möglichkeit, Maßnahmen mit kurzer Amortisationszeit mit solchen zu verbinden, die sich erst innerhalb längerer Zeiträume rentieren – und die deshalb ohne ESC womöglich nicht umgesetzt würden. „Die Mischung macht’s: Hoch wirtschaftliche Schritte wie die Umstellung der Beleuchtung auf LEDs zum Beispiel finanzieren andere, aus ökonomischer Sicht weniger attraktive Maßnahmen innerhalb des ESC quasi mit“, erläutert dena-Expertin Schuch. Das gilt genauso für die Auswahl der Gebäude. Bei manchen amortisieren sich Maßnahmen schneller, bei anderen langsamer. Mit der Aufnahme in den Pool ist gewährleistet, dass entsprechende Liegenschaften energetisch saniert werden – auch solche, bei denen die Maßnahmen für den Contractor weniger rentabel sind. Der Pool gewährleistet eine wirtschaftliche Umsetzung als Ganzes.

Auch bei der Sanierung der Gebäudehülle kann das ESC gegebenenfalls als Form der „Quersubventionierung“ helfen. Maßnahmen wie etwa eine nachträgliche Dämmung der Fassaden amortisieren sich häufig erst innerhalb eines Zeitraumes, der die typische Laufzeit eines ESC-Vertrags überschreitet. Dieses Dilemma lässt sich auflösen, indem die Kommune, der Landkreis oder das Land zum Beispiel einen Investitionszuschuss gewährt oder die Partner eine längere Vertragslaufzeit vereinbaren. Die Projektentwickler geben mit ihrem Bericht eine Empfehlung ab, ob solche Regelungen im konkreten Fall sinnvoll sind.

Mit der Präsentation des Berichts, auf Wunsch auch in den kommunalen Ausschüssen, ist die Orientierungsberatung abgeschlossen. Entscheidet sich ein Gebäudeeigentümer dann für ein ESC, können die Projektentwickler auch bei allen weiteren Schritten beratend zur Seite stehen, etwa bei der Ausschreibung und den Vertragsverhandlungen. „Die Experten lotsen die Eigentümer der Liegenschaften durch den gesamten Prozess, wenn diese das wollen“, erklärt Zumbusch.

Informationen zum Rechtsrahmen

Contracting-Glossar

Hier finden Sie Erläuterungen zu wichtigen Contracting-Fachausdrücken > Contracting Glossar

Es kommt durchaus vor, dass Projektentwickler nach ihrer Analyse von einem ESC abraten. Nicht jedoch in Uslar: Die mit der Orientierungsberatung betraute Projektentwicklerin Sylvia Westermann vom ITG Energieinstitut in Magdeburg sieht in Uslar gleich mehrere Möglichkeiten für das Modell. Den Vertretern der Kommune stellte sie die Optionen bei der Präsentation des Berichts im Detail vor. Bei dieser Gelegenheit informierte sie zugleich auch umfassend über den kommunalrechtlichen Rahmen – „für Städte und Landkreise ein ganz wichtiger Punkt“, sagt die Ingenieurin. Die Bestimmungen unterscheiden sich von Bundesland zu Bundesland erheblich. In Niedersachsen ist ESC haushaltsrechtlich grundsätzlich zulässig, erläutert Westermann. „Allerdings müssen sich die Kommunen jedes einzelne ESC-Projekt von den Aufsichtsbehörden genehmigen lassen.“ Auch über die Anrechnung der Zahlungen an den Contractor auf den Kreditrahmen der Kommune urteilen sie individuell. Ihr Rat an die Vertreter aus Uslar: „Klären Sie frühzeitig mit der Kommunalaufsicht, unter welchen Bedingungen ESC für Sie möglich ist!“

Nun muss die Stadt entscheiden, ob sie tatsächlich auf ein Energiespar-Contracting setzen will – oder ob sie die Minderung von Energieverbrauch und CO2-Emissionen ihrer Liegenschaften auf anderem Wege in Angriff nehmen möchte. Auch dafür nennt Westermann zum Abschluss ihrer Präsentation mögliche Instrumente: die Sanierung in Eigenregie mit Inanspruchnahme von Fremd- und Fördermitteln zum Beispiel. Oder ein Energieliefer-Contracting mit Umstellung der Wärmeerzeugung auf erneuerbare Energien und Blockheizkraftwerke. Bei diesem Modell übernimmt der Contractor Planung, Finanzierung, Bau, Betrieb und Instandhaltung der neuen Heizungsanlage sowie den Einkauf der Brennstoffe. Vergütet werden seine Leistungen über den Verkauf der erzeugten Nutzenergie, also Wärme, Strom und Kälte in Form eines Grund- und eines Arbeitspreises.

Wie auch immer sich die Stadt Uslar entscheiden wird: Die Chancen stehen gut, dass die Grundschule in Volpriehausen wie auch eine Reihe weiterer städtischer Gebäude mit Blick auf Energiekosten und Emissionen schon bald zu echten Vorzeigebauten werden.

Über den Autor

Ralph Diermann ist seit 2007 als freier Energiejournalist tätig, unter anderem für Spiegel Online, Süddeutsche Zeitung, Neue Zürcher Zeitung, Technology Review, div. Fachzeitschriften. Er twittert unter @radiermann