Energiespar-Contracting plus: Gebäudetechnik trifft bauliche Sanierung

Wie können bauliche Maßnahmen im Rahmen von Energiespar-Contracting (ESC) umgesetzt werden?

Antworten und viele nützliche Einblicke in die Praxis lieferte die gemeinsame virtuelle Veranstaltung der Energieagentur NRW, der Deutschen Energie-Agentur (dena), der E1 Energiemanagement und der eco2GmbH am 8. Oktober 2020. 40 Teilnehmende bestätigten das große Interesse an diesem speziellen Thema. Nach der Einführung durch Christian Tögel, Energieagentur NRW, und Ursel Weißleder, dena, wurde ESC aus unterschiedlichen Fachrichtungen und Perspektiven ausführlich beleuchtet.

Baukostenzuschuss als Finanzierungsmöglichkeit für bauliche Maßnahmen

Jürgen Holper, ECO2GmbH und Projektentwickler der Stadt Ratingen im dena-Modellvorhaben „Co2ntracting-build the future!“, stellte das ESC-Modellprojekt der nordrhein-westfälischen Kleinstadt vor: Ratingen plant, mit ESC neun Gebäude zu sanieren – darunter Verwaltungsgebäude, Schulen und Kitas –mit dem Ziel, die Energiekosten von knapp 800.000 Euro pro Jahr langfristig zu senken. Mit einem Baukostenzuschuss ermöglicht die Stadt, dass auch dringend notwendige bauliche Maßnahmen an Geschossdecken, Türen und Fenstern vorgenommen werden können.

Nordrhein-Westfalen

Ratingen

Mit der Erstellung eines Klimaschutzkonzepts hat sich die Stadt Ratingen dem Klimaschutz verschrieben. mehr lesen

Wirtschaftlichkeit von Sanierungsmaßnahmen - Versachlichung erwünscht

Im Mittelpunkt des Beitrags von Gisela Renner, Innovative Energieberatung, stand die Wirtschaftlichkeitsbetrachtung energetischer Sanierungen. Sie kritisierte, dass bei energetischen Sanierungsmaßnahmen immer wieder über hohe Kosten diskutiert würde, während diese bei anderen Sanierungen kaum eine Rolle zu spielen scheinen. Renner forderte daher eine Versachlichung der Kostendiskussion und plädierte dafür, stärker die Lebenszykluskosten zu betrachten und besser über den Zusammenhang von Energieeffizienz und Baukosten aufzuklären. Viele Städte, Landkreise und Gemeinden hätten laut Renner, die sich selbst als „Anwältin der Kommunen“ sieht, bereits eigene Lösungen entwickelt, „Ohnehin-Kosten“ und energetisch-bedingte Mehrkosten ins Verhältnis zu setzen.

Ein wichtiger Mehrwert von ESC sei laut Renner das integrierte Monitoring der Energieverbräuche. Die nachhaltige Senkung der Betriebskosten – auch durch Maßnahmen an der Gebäudehülle – führe dazu, dass die Gesamtkosten trotz höherer Anfangsinvestitionen langfristig niedriger ausfielen.

Zusätzlichen Einfluss auf Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen wird zukünftig der CO2-Preis haben. Viele Kommunen haben ehrgeizige Klimaschutzziele und wollen ihre Vorbildfunktion ausfüllen. Sie sollten daher bereits in der Ausschreibung festlegen, mit welchem Anteil die CO2-Einsparung in die Wirtschaftlichkeitsbetrachtung eines ESC einfließen soll.

Nachbesserungsbedarf bei Förderung

David Michael Näher, KfW Bankengruppe erläuterte die möglichen Förderprogramme für bauliche Sanierungen, über die grundsätzlich auch Contracting-Vorhaben gefördert werden können. Kommunen müssen dafür ihre Anträge direkt bei der KfW stellen, kommunale Unternehmen bzw. ÖPP über ihre Hausbank. Der Antrag muss vor dem Vorhabensbeginn gestellt werden, was eine Hürde birgt: Als Vorhabensbeginn gilt nämlich bei der KfW der Abschluss eines Liefer-und Leistungs-Vertrags zwischen Kommune und Contractor, der im ESC-Prozess nach der Grobanalyse erfolgt. An diese schließt sich jedoch im üblichen zweistufigen Verfahren noch die Feinanalyse durch den ausgewählten Contractor an. Bestätigt die Feinanalyse die Grobanalyse, wird das ESC-Vorhaben umgesetzt. Andernfalls können beide Seiten den Vertrag noch kündigen.

Nach Einschätzung der dena ist hierbei jedoch problematisch, dass erst während oder nach Abschluss der Feinanalyse feststeht, welche Maßnahmen im Rahmen des ESC umgesetzt werden und dann erst die Fördergelder beantragt werden können. Dieses Vorgehen widerspricht jedoch den Genehmigungsregeln der KfW, da das Vorhaben dann schon als „begonnen“ gilt. Hier sollte noch einmal nachgebessert werden, um die Antragstellung für ESC-Projekte zu vereinfachen.

ESC im Wandel: neue Möglichkeiten und mehr Argumente dafür

Stephan Weinen, Geschäftsführer des Contracting-Unternehmens E1 zeigte am Beispiel eines ESC plus-Projekts in Mannheim eindrucksvoll, dass bauliche Sanierungsmaßnahmen sehr gut als Bestandteil von ESC umsetzbar sind. Er verdeutlichte, wie sich ESC in den letzten Jahren weiterentwickelt hat und wie flexibel es inzwischen ist: Wurde vor einigen Jahren lediglich der Einbau von Regelungstechnik und Gebäudeautomation mit ESC verbunden, sind heute die Einspargarantie und die schnelle Umsetzung von Effizienzmaßnahmen – durch Pooling häufig auch noch an vielen Gebäuden gleichzeitig – Hauptmotivation der Auftraggeber. Weitere Entscheidungsfaktoren für ESC seien die eingesparten Eigenmittel sowie Personal- und Finanzressourcen der Kommunen. Zunehmend spiele auch die Senkung der CO2-Emmissionen eine Rolle bei ESC. Diese würde immer häufiger über die Einbindung von Photovoltaik-Anlagen als nahezu wirtschaftliche Maßnahme ergänzt. Weinen wies außerdem auf ein aktuell stark nachgefragtes Thema hin: eine kontrollierte Be- und Entlüftung. Diese sei nicht nur zum Erreichen eines KfW-Standards notwendig, sondern werde auch im Rahmen von Lüftungskonzepten aufgrund der Corona-Pandemie stark nachgefragt.

Dienstleistungen und Effizienzmaßnahmen aus einer Hand – in kurzer Zeit

Mit ESC können bauliche Maßnahmen an der Gebäudehülle hervorragend querfinanziert werden, beispielsweise durch die Umstellung der kommunalen Straßenbeleuchtung auf LED. Denn ein großer Vorteil von ESC sei es, dass wirtschaftliche und weniger wirtschaftliche Maßnahmen häufig über ein „Pooling“ zusammengefasst werden.

Insgesamt betonte Weinen die Rolle des Contractors als „Kümmerer“: Von Brandschutzkonzepten über Schadstoffbeprobungen bis hin zur Genehmigungsplanung hat er alles im Blick und bietet alle Dienstleistungen aus einer Hand. Am Ende gab er noch ein paar Tipps für einen reibungslosen und zügigen ESC-Prozess. Schon zu Beginn sollten Kommunen, die auf ESC setzen wollen, einige Aufgaben erledigen: einen Gremienbeschluss fassen, die Ausschreibung organisieren, Fördermittel und/oder Baukostenzuschüsse prüfen und das Projekt – in der Regel durch einen externen Berater – entwickeln lassen. Sofern dieser dann auch die Kommunalaufsicht mit im Boot hat, sollte einem erfolgreichen ESC-Projekt nichts im Weg stehen. So kann die öffentliche Hand ihrer Vorbildfunktion schnell und effizient gerecht werden.

Bundesförderung für effiziente Gebäude

Zukünftig wird die KfW-Förderung in der Bundesförderung für effiziente Gebäude mit Programmen der BAFA zusammengefasst. Bis Mitte 2021 sind Übergangsregelungen möglich, bspw. eine Berechnung nach EnEV und BEG.

Philipp Reiß vom SK:KK verwies außerdem auf die Möglichkeit, dass im Rahmen der Fokusberatung (Kommunalrichtlinie) die Vorbereitung eines ESC-Vorhabens in einer Kommune, die bisher noch nicht über ein Klimaschutzkonzept verfügt, bis zu 100 Prozent finanziert werden kann.

Nähere Infos zu den Förderprogrammen der KfW: www.kfw.de/Programmnummer (z.B. 218/219; 432; 201 für Kommunen)

Infos zur Fokusberatung im Rahmen der Kommunal-Richtlinie: https://www.ptj.de/projektfoerderung/nationale-klimaschutzinitiative/fokusberatung