Eine wichtige Strategie zur wärmeseitigen Transformation von Bestandsquartieren besteht im Ausbau von Wärmenetzen. Diese können klimaneutrale lokale Wärmepotenziale nutzbar machen und spielen eine zentrale Rolle, um zeitlich variable Quellen und Senken effizient miteinander zu verknüpfen. Wärmenetze sind durch die flexible Einbindung von unterschiedlichen Erzeugungstechnologien und Brennstoffen somit ein wichtiger systemischer Ansatz für Sektorkopplung und für eine zukunftssichere Wärme- und Stromversorgung.
Wärmenetze als planerische Herausforderung
Die Planung bzw. Auslegung von Wärmenetzen im Gebäudebestand ist mit technischen und wirtschaftlichen, aber auch organisatorischen und regulatorischen Herausforderungen verbunden. So sinkt der Wärmebedarf im Quartier kontinuierlich aufgrund der Gebäudesanierung. Dies bedeutet, dass die Wärmenetze, die den heutigen Bedarf decken (können), für den künftigen klimaneutralen Betrieb überdimensioniert sind, was sich meist schwer wirtschaftlich darstellen lässt. Der Wärmenetzanschluss ersetzt eine bestehende gebäudeintegrierte Wärmeversorgungsanlage. Eigentümerinnen und Eigentümer wollen aber in der Regel den bisherigen Wärmeerzeuger bis zum Ende seiner Lebensdauer nutzen und erst dann einen Austausch bzw. Systemwechsel vornehmen. Die Integration eines größeren Anteils der Gebäude in ein gemeinsames Wärmenetz kann deshalb eine lange Zeit dauern, was den Aufbau des Wärmenetzes zunächst unwirtschaftlich macht.
„Keimzelle“ als Lösungsansatz für die Quartierswärmeversorgung
Ein möglicher Lösungsansatz liegt in einem Mitversorgungskonzept, ausgehend von einer sogenannten Keimzelle. Diese kann beispielsweise ein größeres Gebäude oder ein Gebäudekomplex sein, der durch einen Akteur verwaltet wird und von dem aus die Mitversorgung anderer Gebäude über ein Wärmenetz erfolgen kann. Keimzellen stellen einen Großteil des Wärmeverbrauchs im Quartier und/oder können ein Standort für eine Erzeugungsanlage sein. In Kombination mit einem lokalen Potenzial an erneuerbarer Wärme oder Abwärme kann an einem solchen Standort ein klimaschonendes Quartierswärmekonzept entstehen.
Hohe Effizienz und Wirtschaftlichkeit bei diesem Konzept werden unter anderem durch die gemeinsame Nutzung der Netzinfrastrukturen (Erzeugung, Verteilung, Wartung usw.) erzielt. Die energetische Sanierung und Vernetzung eines großen, heterogenen Bestandsquartiers kann allerdings mehrere Jahre oder sogar Jahrzehnte dauern. Die Planung muss also technologieoffen und flexibel sein, damit die neuen Zugänge, also neue Anschlüsse, problemlos integriert werden können – Stichwort Erweiterbarkeit.
Eine optimale Realisierung solcher Konzepte erfordert darüber hinaus eine ganzheitliche energetische Betrachtung des Gesamtquartiers (eines Gebäudepools), d. h. verschiedene Maßnahmen, wie beispielsweise der Ausbau erneuerbarer Wärme, neue Energiekonzepte zur Mitversorgung und energetische Gebäudesanierungen, die den Energiebedarf für Gebäudewärme senken, müssen integriert und zusammen gedacht werden.
Energiespar-Contracting (ESC) in Kommunen: Eignungskriterien für Gebäude & Gebäudepools
Energiespar-Contracting (ESC) als Sanierungsbeschleuniger und Finanzierungsoption
Eine Möglichkeit, um die energetische Optimierung mehrerer Gebäude oder Liegenschaften (Gebäudepool) ganzheitlich zu betrachten, zu finanzieren und dann umfassende aufeinander abgestimmte Effizienzmaßnahmen zügig umzusetzen, ist das Energiespar-Contracting (ESC).
Bei diesem Modell überträgt ein Gebäudeeigentümer, beispielsweise eine Kommune, die Energieoptimierung der Gebäude einem spezialisierten Dienstleister, dem Contractor. Dieser betrachtet die Gebäude ganzheitlich mit dem Ziel, Energieverbrauch, Energiekosten und CO2- Emissionen zu minimieren. Die Einsparhöhe garantiert er vertraglich. Um diese zu erreichen, plant und realisiert er individuell auf die Gebäude zugeschnittene Effizienzmaßnahmen, tätigt in der Regel die notwendigen Investitionen, kümmert sich um die Instandhaltung der neuen Technik, eine optimierte Betriebsführung und, wenn gewünscht, auch um die Wartung. Durch Monitoring und kontinuierliches Optimieren stellt er die Einsparung sicher. Seine Dienstleistungen und Investitionen refinanzieren sich durch einen Teil der eingesparten Energiekosten.
Kommunen für dena-Modellvorhaben gesucht
Mehr Wissen
Weitere Infos zum Energiespar-Contracting und zum dena-Modellvorhaben:
www.kompetenzzentrum-contracting.de
Weitere Infos zu energetischen Quartierskonzepten:
www.gebaeudeforum.de/wissen/quartiere/
www.dena.de/urbane-energiewende/
Praxisbeispiele mit unterschiedlichen Formen der technischen Ausgestaltung zur Erreichung der Klimaneutralität in Quartieren – kostenfreier Download:
www.dena.de/fileadmin/dena/Dokumente/Pdf/Urbane_Energiewende/FINAL-KNQA-Praxisbeispiele-Paket.pdf
Im Rahmen des Modellvorhabens „Co2ntracting: build the future!“ der Deutschen Energie-Agentur (dena) haben bis Ende 2025 bis zu 100 Kommunen die Möglichkeit, sich bei der Umsetzung eines ESC durch die dena unterstützen zu lassen und von kostenfreier Umsetzungsberatung zu profitieren. Neben den Maßnahmen, die sich im ESC als „klassische“ Maßnahmen etabliert haben, können in Pilotprojekten auch innovative Ansätze, wie z. B. Konzepte für eine gemeinsame Versorgung mehrerer Gebäude über eine „Keimzelle“ realisiert werden. Ziel dabei ist es, neue geeignete Geschäftsmodelle, Verträge und Prozessabläufe zu entwickeln, um das Modell „Keimzelle“ in Verbindung mit ESC rentierlich zu machen. Für die Teilnahme am Modellvorhaben können sich Kommunen jederzeit bei der dena bewerben.
Susanne Schmelcher
Leitung Arbeitsgebiet Quartier & Stadt
Deutsche Energie-Agentur (dena)
Der Originalbeitrag in „Energie KOMPAKT“, Ausgabe 2/2022 als PDF zum Download
Energie KOMPAKT Das Fachmagazin unabhängiger Energieberater
https://shop.maurer-fachmedien.de/energie-kompakt
Eine Publikation des GIH - Die bundesweite Interessenvertretung für Energieberaterinnen und Energieberater
www.gih.de